3. Juli 2019
Foto: Prensa PT

Seite mehr als 400 Tagen ist der ehemalige Präsident Lula im Gefängnis, nachdem er im Rahmen der Autowaschaktion wegen Korruption verurteilt worden ist. Von Anfang an hat die Arbeiterpartei (PT) behauptet, der wahre Grund für seine Haft sei eine juridisch-politische Verfolgung um ihn daran zu hindern, an der letzten Präsidenschaftswahl telzunehmen. Dieses Verteidigungsargument wurde in den letzten Tagen von Veröffentlichungen der Webseite The Intercept Brasil bestätigt. Vor ein paar Tagen wuchs die Hoffnung, die aktuelle Lage umkehren zu können, als der oberste Gerichtshof über ein Habeas Corpus abstimmte, aber die Hoffnung dauerte nicht lange, denn der Gerichtshof entschied, die Diskussion auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und den ehemaligen Präsidenten im Gefängnis zu belassen.

L’Ombellico del Mondo sprach mit Monica Valente, der Sekretärin der internationalen Beziehungen der PT, Gewerkschaftsführerin und früherer Vizepräsidentin der CUT, des Vereinten Gewerkschaftsbundes, über die Situation, die der südamerikanische Gigant durchlebt. ‘Ich glaube fest daran, dass wir es im August schaffen werden, Lula zu befreien’, sagte Valente und analysiert : Der Kampf ist für Lula und für die Demokratie.

Gibt es bei der PT Hoffungen für eine Enscheidung des Obersten Gerichtshofes die für Lula günstig wäre ?
Ja, den seitdem der Prozess gegen Lula begann, sagen wir der Welt, dass es eine politische Verfolgung ist. Seit vier Wochen wird unsere Meinung durch die Veröffentlichungen des Intercept bestätigt. Es wird immer klarer dass der frühere Richter Moro so gehandelt hat, um Lula zu verurteilen und ihn vom Wahlprozess fernzuhalten, denn in jedem anderen Fall wäre Lula zum Präsidenten gewählt worden.

Wir hatten Hoffnung, weil die vom Intercept veröffentlichten Tatsachen unbestreitbar die in seiner juristischen Verteidigung verwendete Theorie bestätigen. Auch wenn der Richter Celso de Mello nicht für die sofortige Befreiung Lulas gestimmt hat, ist er nicht auf die Frage der Verteidigung eingegangen, ob nämlich Moro im Prozess gegen Lula nicht urteilen könne, da er Teil der Anklage war. Der Richter sprach nur über die sofortige Befreiung Lulas, ohne auf die tatsächliche Frage einzugehen. Ich glaube fest daran, dass wir Lula im August befreien können, weil alles, was wir sagen, von den Veröffentlichungen des Intercept bestätigt wurde.

Abgesehen von diesem negativen Urteil, glauben Sie, dass Lula im September vorübergehend aus dem Gefängnis kommen kann, in einen halboffenen Vollzug übergehen kann ?
Seit der oberste Justizgerichtshof die Haftstrafe Lulas verringert hat, kann er im September ganz natürlich in einen offenen Vollzug übergehen. Das ist sicher, weil es so im Gesetz steht. Weil der oberste Justizgerichtshof die Strafe von 12 Jahren auf etwas mehr als 8 Jahre heruntergesetzt hat, hat er nach einem Jahr und einigen Monaten, die er im September abgesessen haben wird, im September schon das Recht, vom geschlossenen Strafvollzug zu einem anderen überzugehen, wo er aus dem Gefängnis kommen kann, arbeiten, Personen empfangen und mit ihnen sprechen kann. Die einzige Bedingung wird sein, nachts in seinem Haus zu bleiben.

Wir wollen mehr als das, denn wir wissen, dass Lula unschuldig ist und jetzt ist es klar, dass seine Verurteilung eine juristische Verfolgung war. Wir werden für die Aufhebung der Urteile gegen ihn kämpfen, denn es waren keine normalen Prozesse. In seinem Urteilsspruch konnte Moro keine einzige korrupte Handlung, die Lula begangen hätte, und die eine Verurteilung verdient hätte, identifizieren. Der ehemalige Richter sprach von « unbestimmten Tatsachen ». Auf keinem Ort der demokratischen Welt, in keiner demokratischen Gesellschaft kann jemand für « unbestimmten Tatsachen » verurteilt werden. Wir haben die Hoffnung, die Urteile gegen Lula aufzuheben, aber, unabhängig davon werden die Verteidiger Lulas im Dezember den Übergang zum offenen Vollzug beantragen, weil das sein Recht ist, ebenso wie es das Recht eines jeden anderen Bürgers wäre. Was uns interessiert, ist die Aufhebung der Prozesse, denn es wird jeden Tag offensichtlicher, das kein Verbrechen vorliegt und Lula unschuldig ist. Es ist ein langer Kampf, wir wissen das, aber wir werden nicht aufgeben.

Vor einigen Tagen haben wir mit Renato Simoes gesprochen und er hat uns gesagt, das die Justiz nicht allein gehandelt hat, dass andere Sektoren bei der Verurteilung involviert waren. Stimmen Sie dem zu ? Von welchen Sektoren sprechen wir ?
Unser Kamarad Renato Simoes hat recht. Nicht allein der 13. kriminelle Bereich von Curitiba, wo der ehemalige Richter Moro Amtsinhaber warm hat diese Verfolgung gegen Lula durchgeführt. Es gibt einige Zweige des Regionalgerichts 4, wo das Ureil gegen Lula bestätigt wurde, und dessen Präsident der Taufpate von Moros Sohn ist. Im TRF 4 gibt es auch einen Zweig des Justizapparats, der ein Urteil in erster Instanz bestätigen kann, sodass es zu einem Urteil der zweiten Instanz wird, was, durch ein Manöver des Justizapparats unter Druck der Militärs zu einer sofortigen Verhaftung führte, als wir es 2017 nicht geschafft haben, beim obersten Gericht den Strafvollzug Lulas zu verzögern. Denn in der brasilianischen Verfassung steht, dass es erst einen Strafvollzug gibt, wenn alle Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, un Lula sowie viele andere sind nicht bis zum Ende ihres Prozesses gekommen. Denn es gibt es noch andere Berufungsmöglichkeiten.

Als 2017 von der Verteidigung erbeten wurde, dass Lula nicht ins Gefängnis müsse, gab es einen Prozess im Obersten Gerichtshof und ausserdem die absurde Aussage des Generals Eduardo Villas Boas, dem Paten der Kandidatur von Jair Bolsonaro, dass, wenn Lula im Obersten Gericht gewinnen würde, es zu sozialen Unruhen kommen würde. Klarer Druck auf den Gerichtshof. In diesem Prozess hat eine der elf Richter, Rosa Maria Weber, gegen ihre eigene Überzeugung gestimmt, die sie vielfach in anderen Verfahren geäussert hatte, um es nicht zu erlauben, dass Lula in Freiheit auf sein endgültiges Urteil warte. Eine Richterin, die in ihren Prozessen immer auf eine die Verfassung respektierende Weise geurteilt hat und die, in diesem besonderen Fall, nach der Aussage des Generals, gesagt hat, sie würde so wie die anderen Richter des Gerichtshofs stimmen, obwohl sie das Gegenteil denke. Ausser den Verzweigungen des Justizapparats gibt es auch Einfluss von seiten der Militärs.

Dieser Prozess ist komplex und zeigt, dass es einen Anteil des Justizapparats gibt, der antidemokratisch handelt, und unsere Demokratie ist noch sehr jung. Wir haben nicht einmal geschafft, was in Argentinien geschehen ist, wo die Vergangenheit der Militärdiktatur bereinigt worden ist. Wir haben gewiss eine negative Erbschaft aus dieser Zeit. Wir haben es nicht geschafft, starke und gegen diesen Druck immune Institutionen zu schaffen, aber so ist der Kampf. Wir werden weiterkämpfen, nicht nur für Lulas Befreiung, die sehr wichtig ist, aber auch, um die braslianische Demokratie zu stärken, die zum jetzigen Zeitpunkt in Gefahr ist. Wenn sie einen Mann wie Lula einsperren konnten, der Präsident war, ohne irgend ein Verbrechen beweisen zu können, was passiert mit gewöhnlichen Menschen, die nicht so in der Öffentlichkeit stehen ? Der Kampf ist für Lula und für die Demokratie.

Hat die PT eine Strategie, um ihre Bitte um Justiz ausserhalb der Grenzen Brasiliens auszudehnen, um in diesem Prozess gegen Lula eine Lösung zu suchen ?
Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen führt den Prozess gegen Lula weiter. Dieselbe Komission, die Brasilien geraten hat, Lula als Kandidat antreten zu lassen, und der die brasilianischen Institutionen nicht gefolgt sind. Zu dem Zeitpunkt war das eine provisorische Massnahme um Lula das Recht zu gewähren, sich als Kandidat anzumelden. Heute beurteilt die selbe Kommission den Fall. Wir hatten erwartet, dass der Fall im Mai von der Komission beurteilt würde, aber da die Regierung gewechselt hat und Bolsonaro andere Inputs gegeben hat, wurde das Urteil auf September verschoben. Nach den Veröffentlichungen des Intercept hat die Verteidigung Lulas ausserhalb Brasliens neue Tatsachen vorgelegt, die die juristische Verfolgung Lulas bestärken. Wir wissen, dass internationale Prozesse langsam sind und viel Vorsicht und Genauigkeit verlangen, aber wir haben Hoffnung. Wenn wir von der Komission ein positives Urteil erhalten, wird das das erste Mal sein, dass das Land wegen Missachtung der Menschen- und Zivilrechte einer Person verurteilt wird.

Ausserdem gibt es viele internationale Initiativen. Der argentinische Nobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel hat aus eigener Initiative die Kandidatur Lulas für den Friedensnobelpreis 2019 vorgeschlagen. Das war sehr wichtig. Nicht nur als internationale Anerkennung Lulas sondern auf für seine Arbeit für die Menschenrechte in Brasilien und auf der ganzen Welt, wie den Kampf gegen die Armut und die Erhaltung des Friedens in Brasilien und Lateinamerika. Dieser Vorschlag erhielt grosse Unterstützung in der Welt, mehr als 600 000 Menschen, Persönlichkeiten haben diesen Vorschlag unterschrieben, was uns hilft, international anerkannt zu werden.

Wie sehen Sie, als Verantwortliche für die internationalen Beziehungen der PT, die Verhaftung eines Brasilianischen Unteroffiziers, der in der offiziellen Begleitmannschaft zum G20 Gipfelin Osaka reiste und 39 kg Kokain mit sich führte ? Wie sehen Sie die internationale Politik Bolsonaros ?
Seit Bolsonaro gewählt wurde scheint es, nach seinen Aussagen, seinen Reden und Initiativen, eine « Erlaubnis » für Verbrechen und Morde zu geben,so zum Beispiel das Projekt, das Volk zu bewaffnen. Das erklärt die absurde Situation, dass ein Soldat aus der Mannschaft des Präsidenten im Präsidentenflugzeug 39 kg Kokain mit sich führen kann. Es ist die Gewissheit der Straffreiheit, die Gewissheit, nicht verurteilt zu werden. Es ist eine Schande für unser Land. Es ist nicht die erste Schande, seit dieser Präsident sein Amt angetreten hat. Wir sind sehr traurig, dass unser Land nach den erfolgreichen Jahren unter dieser autoritären Regierung diese Schande erleiden muss.

Bolsonaro hat gesagt, dass die Verwaltung seiner Regierung wieder den Vereinigten Staaten gehorchen wird. Das ist ein sehr grosser Rückschritt. Seine gesamte Aussenpolitik geht diesen Weg : die Teilnahme Brasiliens in multilateralen Beziehungen wird zerstört und aktive Aussenpolitik, die wir in vergangenen Jahren hatten wird kritisiert. Es ist schade, dass das Volk das erleben muss, weil wir durch die Regierung von Bolsonaro unsere starke Position in der Welt verlieren.

L’Ombelico del Mondo | Übersetzt von Elisabeth Schober, Free LULA – Committee Austria