Lula und Amorim: Brasilien hat früher schon zur Stärkung des Friedens zwischen den USA und dem Iran beigetragen. Dialog ist die einzige Lösung
Der Mord an dem iranischen General Qasem Soleimani durch Bomben, die von einer Drohne abgeworfen wurden, auf ausdrücklichen Befehl des Präsidenten der Vereinigten Staaten, hat den Nahen Osten – und die Welt – in die schwersten globalen Sicherheitskrise seit dem Ende des Kalten Krieges am Ende des letzten Jahrhunderts gestürzt. Indem US-Präsident Donald Trump die Hinrichtung eines Militärs der höchsten iranischen Hierarchie auf irakischem Boden anordnete, verletzte er internationales Recht und unter ging, gefährlich und unverantwortlich einen gewagten Schritt in der Eskalation eines Konflikts mit potenziellen Auswirkungen auf die ganzen Planeten.
Wir wissen immer noch nicht genau, wie der Iran auf diesen nicht deklarierten Kriegsakt wird. Aber wir sehen bereits Risiken für den Frieden und die Sicherheit in der Region durch das absehbare Wiederaufleben des Islamischen Staates im Irak und Teherans Rücknahme seiner Verpflichtungen in Bezug auf die Begrenzung der Uranananreicherung.
Wir können auch mit Sicherheit darauf hinweisen, wer mit einem neuen Krieg gewinnen und wer verlieren würde, was für Ausmaße er auch haben könnte.
Einige profitieren immer vom Krieg: Waffenhersteller, Regierungen, die daran interessiert sind, den Reichtum anderer Staaten (insbesondere Öl) zu plündern, Mega-Unternehmen, die gegen höchste Zahlungen damit beauftragt werden, das wieder aufzubauen, was durch die Torheit und Gier der Kriegsherren zerstört wurde.
Und es gibt diejenigen, die immer verlieren: die Zivilbevölkerung, die Frauen, die Kinder, die Alten und vor allem die Ärmsten, die zum Sterben verurteilt sind, zum Hunger, zum Verlust ihrer Häuser und zur erzwungenen Auswanderung in unbekannte Länder, wo sie Fremdenfeindlichkeit, Ernierdrigung und Hass vorfinden.
Als Präsident und Kanzler Brasiliens führten wir im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts Gespräche mit US-Präsidenten und hochrangigen iranischen Beamten, a Frieden zu schaffen, von dem wir meinten, dass er für die Völker des Iran und die Staaten das Wichtigste sei.
Gemeinsam mit der Türkei haben wir mit dem Iran, am Rande eines erweiterten G8-Gipfels 2009 in Italien und auf Anfrage von Präsident Barack Obama selbst, die “Teheran-Erklärung” ausgehandelt.
Dieses Abkommen, das 2010 geschlossen und von Abrüstungsexperten aus Teilen der Welt, darunter der ehemalige Direktor der Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei, begrüßt wurde, hat das potenzial, eine friedliche Lösung der komplexen Frage des iranischen Atomprogramms herbeizuführen.
Wir haben nicht nur die Welt sicherer gemacht, sondern auch dazu beigetragen, dass die beiden Länder, die seit der islamischen Revolution von 1979 ausdauernd Feinde waren, eine friedliches und gegenseitig respektvolles Zusammenleben entwickeln konnten, wie es vom US-Präsident ersehnt wurde.
Leider haben innen- und außenpolitische Faktoren in den Vereinigten Staaten damals das Zustandekommen verhindert. Einige Jahre später unterzeichnete Obama jedoch ein ähnliches Abkommen mit der iranischen Regierung, das später von Donald Trump aufgegeben wurde.
Wir sind und bleiben kompromisslose Verfechter des Friedens. Es gibt, ja, einen dringenden Krieg, der von allen Nationen geführt werden muss: der Krieg gegen den Hunger, der jeden neunten Einwohner dieses Planeten bedroht. Was an einem einzigen Kriegstag verschwendet wird, würde das Leid von Millionen hungernder Kinder auf der Welt lindern. Es ist unmöglich, sich darüber nicht zu empören.
Noch vor unserer Amtseinführung, im November 2002, hatten wir bei einem Besuch im Weißen Haus das erste Treffen mit dem damaligen Präsidenten George W. Bush. Er hatte das Ziel, den Irak auf der Grundlage von Behauptungen, die sich als falsch herausstellte, nämlich den Besitz chemischer Waffen und die Unterstützung von Terrorismus, anzugreifen. Wir haben dem Präsidenten gesagt, dass unser Ziel ein anderes war: den Hunger zu beenden und die Armut in unserem Land zu verringern.
Wir haben an der Koalition gegen den Irak nicht teilgenommen und den unilateralen Einsatz der Gewalt verurteilt. Trotzem, oder besser gesagt gerade deswegen hat Bush Brasilien respektiert. Wir haben in schwierigen Momenten zusammengearbeitet, wie bei der Schaffung der Gruppe der Freunde Venezuelas und der Verhandlungen des OMC. Wir haben gute und häufige Kontakte beibehalten über regionale und geopolitische Themen, und das trotz unserer unterschiedlichen Anschauungen. Brasilien war eines der wenigen Entwicklungsländer, dass zur Konferenz von Annapolis eingeladen wurde, die von den Vereinigten Staaten einberufen wurde, um den Friedensprozess im mittleren Osten wiederaufzunehmen.
Wir haben die tiefe Überzeugung, die durch unsere Erfahrung gestützt wird, dass Frieden und Dialog zwischen den Nationen nicht nur wünschenswert sondern auch möglich sind, solange es guten Willen und Durchhaltevermögen gibt. Wir wissen, dass Lösungen, die durch den Dialog erreicht werden, gerechter und dauerhafter sind als die, welche durch Gewalt erzwungen werden. Die bedauernswerte Lage, in der sich der Irak noch heute befindet, 17 Jahre nach dem schicksalhaften Angriff von 2003, ist der ausdrücklichste Beweise dafür, wie schwach die Ergebnisse sind, die durch unilaterale militärische Aktionen erreicht werden.
Es ist zutiefst bedauerlich, dass der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, getrieben von einer rechtsextremen, kriegerischen Ideologie und einer beschämenden Unterwürfigkeit gegenüber dem derzeitigen US-Präsidenten, eine Haltung einnimmt, die der brasilianischen Verfassung den Traditionen unserer Diplomatie widerspricht, eine Stellung bezieht, und einen Kriegsakt von Donald Trump unterstützt , der sich Anfang des Jahres seiner Wiederwahl stellen will.
Auch wenn er sich wenig um die humanitären Schäden sorgt, die durch den Krieg verursacht würden, sollte Bolsonaro die Handelsbeziehungen zwischen Brasilien und dem Iran berücksichtigen, einem Land, mit dem wir einen Überschuss von mehr als 2 Milliarden US-Dollar pro Jahr haben. Vor allem sollten er sich um die Sicherheit unseres Landes und unseres Volkes sorgen, das dazu gedrängt wird, einen Krieg zu unterstützen, der nicht seiner ist.
In diesem kritischen Moment, de n die Menschheit erlebt, muss Brasilien erneut zeigen, was es wirklich ist: ein souveränes Land, Verteidiger des Friedens und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern, von der Welt bewundert und respektiert.
Luiz Lula da Silva ist ehemaliger Präsident Brasiliens. Celso Amorim ist sein ehemaliger Außenminister.
The Guardian | Übersetzt von Elisabeth Schober, Free LULA – Committee Austria.