23. August 2019
Foto: Douglas Magno/AFP

Ein Gedicht des Pastors Martin Niemöller, das Bertold Brecht und Eduardo Alves da Costa inspirierte, wurde zum Symbol der Kritik an der Gleichgültigkeit gegenüber dem Nationalsozialismus. In diesen Zeiten der Geschichte, in denen es um Werte geht, wird die Gleichgültigkeit dramatisch und führt zum Chaos. So war das im Deutschland der 1930er Jahre, und es gilt auch heute.

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein JudeAls sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

Die Inhaftierung von Lula hat am Dienstag (20. August) 500 Tage des Verstoßes gegen den demokratischen Rechtsstaatlich vollendet. Sie steht für Missachtung der verfassungsmäßigen Garantien, der rechtsgemäßen Justiz, der Unschuldsvermutung und der Menschenrechte. Es ist eine Bedrohung. Wenn Lula illegal inhaftiert wurde, kann jeder es sein. Alles begann, als ich durch den Staatsstreich 2016 gestürzt wurde, ohne ein Verbrechen begangen zu haben.

Das war der erste Akt eines Prozesses der Zerstörung der Demokratie. Und dabei blieb es.

Abgesehen von den Progressiven und Demokraten haben viele Menschen verabsäumt zu reagieren, als sie auf den Putsch und die Verhaftung Lulas aufmerksam gemacht wurden. Sein einziges Verbrechen war es, der größte Volksvertreter in der Geschichte Brasiliens zu sein. Jetzt, nach den Enthüllungen der Website The Intercept, weiß jeder, dass Lula das Opfer einer Verschwörung war, die seinen Ruf zerstören und ihn seiner Freiheit berauben sollte.

Der Richter, der ihn verurteilt hat, hat ein Telefongespräch zwischen mir und dem ehemaligen Präsidenten abgehört und die Tonaufnahme an TV Globo weitergeleitet. Dieses schwere Verbrechen, erhielt nur einen milden Verweis. Und dabei blieb es.

Derselbe Richter, der Lula verurteilt hatte, azeptierte die Aussage, die er einem Geschäftsmann, der zuvor gesagt hatte, der frühere Präsident sei unschuldig, unter Zwang entrissen hatte. Diese durch Einschüchterung erreichte Denunziation war die Grundlage des Urteilspruches. Trotz des Missbrauchs wurde sie anerkannt.

Um dem Urteil einen Sinn zu verleihen, gab der Richter an, Lula für „unbestimmte Handlungen“ zu verurteilen. Sogar die Autowaschaktion hatte zugegeben, keine Beweise zu haben. Aber auch diese gerichtliche Ausnahmesituation setzte sich durch.

Als Lula bereits inhaftiert war, unterbrach dieser Richter seinen Urlaub, um die Bundespolizei zu zwingen, gegen die Entscheidung eines Richters, ihn freizulassen, einzuschreiten. Und wie in früheren Situationen wurde der Missbrauch nicht korrigiert.

Im Oktober 2018, in der Woche der zweiten Wahlrunde, veröffentlichte der Richter eine Denunziation, die von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden war und sicherte damit den Sieg der äußersten Rechten. Und die Justiz hat nichts unternommen.

Nach der Wahl wurde der Richter aufgrund seiner illegalen Einmischung gebeten, Minister des gewählten Präsidenten zu werden. Und dabei blieb es.

Jetzt ist das Unheil geschehen. Brasilien wird von einer neofaschistischen Regierung in der Politik und einem neoliberalen System in der Wirtschaft, angeführt von einem zotigen und intoleranten Präsidenten, am Boden zerstört. Der Richter und die Staatsanwälte, die sich abgesprochen haben, Lula zu verurteilen, zerstörten die Wirtschaft und zertrampelten die Justiz, um das Unleugbare zu verneinen. Sie leugnen das Unbestreitbare.
Das Ergebnis ist eine Schande : Ein Unschuldiger sitzt im Gefängnis und ein unfähiger Neofaschist ist an der Macht.

Es wird erst Gerechtigkeit geben, wenn der Prozess aufgehoben und Lula freigesprochen wird.

#LulaLivre ist ein moralischer Imperativ, ein zivilisatorisches Erfordernis, ein Akt der Gerechtigkeit, den die Justiz einem Unschuldigen nicht vorenthalten kann. Besonders wenn der Unschuldige der einzige ist, der das Land befrieden kann. Frei, um den Einklang im Land zu fördern, wird Lula Brasilien dazu bringen, die sozialen Kräfte, ohne Ausnahme, zu einer Front für Demokratie, Souveränität und die Rechte des Volkes zu vereinen. Eine solche Front wird den Ausweg aus der institutionellen, politischen und wirtschaftlichen Krise suchen, in die Brasilien durch den Staatsstreich 2016, die Festnahme von Lula und die Wahl von Bolsonaro geraten ist.

#LulaLivre ist ein Hoffnungsschrei, dass wir uns von einem verheerenden, von Hass verseuchten und unsensiblen Land zu einer lebensfähigen, sozial gerechten und großzügigen Nation mit ihren Menschen entwickeln können.

#LulaLivre bedeutet Frieden und Demokratie für Brasilien.

Folha de S. Paulo | Übersetzt von Elisabeth Schober, Free LULA – Committee Austria.