Lula: Bolsonaro bringt Brasilien mitten in Covid-19 „zum Schlachthaus“

Jair Bolsonaro führt die Brasilianer mit seiner verantwortungslosen Art, mit dem Coronavirus umzugehen, “zum Schlachthaus”, sagte der frühere Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva.

Während eines leidenschaftlichen Interviews mit dem Guardian, das stattfand, als Covid-19 in Brasilien bereits 1.924 Todesfälle forderte, sagte Lula, dass Brasiliens Höhlenbewohner“ -Leiter durch die Untergrabung der sozialen Distanz und die Entlassung seines Gesundheitsministers die Gefahr birgt, die verheerenden Szenen zu wiederholen, die sich in Ecuador ereigneten, wo Familien die Leichen ihrer Lieben auf der Straße lassen mussten.

“Ich befürchte leider, dass Brasilien unter Bolsonaros Verantwortungslosigkeit sehr leiden wird … Ich befürchte, dass wir in Brasilien einige Fälle sehen können, wie die schrecklichen Bilder, die wir in Guayaquil gesehen haben”, sagte der linke Führer. “Wir können einen Präsidenten nicht stürzen, nur weil wir ihn nicht mögen”, gibt
Lula zu. „[Aber] wenn Bolsonaro weiterhin Verbrechen gegen die Verantwortung begeht… [und] versucht, die Gesellschaft zum Schlachthaus zu führen – was er eben tut -, werden die Institutionen einen Weg finden, ihn herauszuholen. Und das bedeutet, dass es eine Amtsenthebung geben muss “.

Bolsonaro – ein Ex-Armeekapitän, stolz darauf, homophob zu sein – wird von brasilianischen Progressiven wegen seiner Feindseligkeit gegenüber der Umwelt, den Rechten der Ureinwohner und den Künsten sowie wegen seinen wahrscheinlichen Verbindungen zu Milizgruppen in Rio de Janeiro und seine verächtliche Haltung gegenüber dem Coronavirus, die er trivialisiert, indem er sagt, es sei eine “Hysterie” in den Medien und ein “kleiner Griff”, verachtet.

Seit die Weltgesundheitsorganisation am 11. März die Pandemie ausgerufen hat, hat der brasilianische Präsident die soziale Distanzierung wiederholt missachtet, indem er Proteste Pro-Bolsonaro zunächst ermutigte und daran teilnahm und dann eine Reihe provokanter Besuche in Bäckereien, Supermärkten und Apotheken vornahm. Während einem unnötigen Hinausgang erklärte Bolsonaro: “Niemand wird mein Recht, zu kommen und zu gehen, verhindern.”

Im März schlug der Rechtspopulist sogar vor, dass sich die Brasilianer keine Sorgen um Covid-19 machen müssten, da sie sogar in Exkrementen baden könnten und “nichts passiert”.

Einstellungen wie diese haben Bolsonaro in ernsthafte Meinungsverschiedenheiten mit seinem eigenen Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta gebracht, einem Arzt, der Politiker wurde und am Donnerstag entlassen wurde, nachdem er sich dem Verhalten des Präsidenten widersetzt hatte.

In der Zwischenzeit begann Bolsonaros politischer Sohn Eduardo, die Beziehungen zwischen Brasilien und seinem wichtigsten Handelspartner China zu zerstören, indem er die Führer dessen Kommunistischer Partei für die Coronavirus-Krise verantwortlich machte.

Bolsonaros Aktionen lösten jede Nacht Protest-Kochtopf-Klopfen in Städten von Nord nach Süd des Landes aus und riefen die Verachtung des gesamten politischen Spektrums hervor.

“Das Coronavirus dürte viel zu lachen haben”, schrieb die Kolumnistin der konservativen Zeitung O Estado de São Paulo Eliane Catanhêde diese Woche über Bolsonaros Praktiken.

Der rechte Gouverneur des bevölkerungsreichsten Staates Brasiliens, São Paulo, erklärte, dass das Land sowohl gegen das Coronavirus als auch gegen das „Bolsonaro-Virus“ Krieg führt.

Lula, der das Land von 2003 bis 2010 regierte, sagte, dass Bolsonaros „groteske“ Aktionen Leben bedrohen, indem sie die vom brasilianischen Gesundheitsminister empfohlenen sozialen Distanzmaßnahmen ignorieren.

“Es ist natürlich, dass ein Teil der Gesellschaft nicht versteht, wie wichtig es ist, zu Hause zu bleiben, oder wie ernst dies ist – besonders, wenn der Präsident der Republik ein Höhlenbewohner ist, der sagt, es sei nur eine kleine Grippe”, sagte Lula in einer Videokonferenz direkt aus der brasilianischen Stadt São Bernardo do Campo, wo er nach seiner Rückkehr von einer Europatour isoliert ist.

„Die Wahrheit ist, dass Bolsonaro nicht über die Auswirkungen nachdenkt, die seine destruktiven Handlungen auf die Gesellschaft haben. Er ist unverantwortlich. “

Laut Bolsonaro beruht sein Widerstand gegen soziale Isolationsmaßnahmen auf dem Wunsch, die am stärksten gefährdeten brasilianischen Bürger und ihre Arbeitsplätze zu schützen.

Nach der Entlassung seines Gesundheitsministers behauptete Bolsonaro, für das “leidende brasilianische Volk” zu kämpfen, und warnte, dass das Coronavirus drohe, ein “wahrer Job-Killer” zu werden.

“Die Regierung hat zu keinem Zeitpunkt die Bedürftigsten verlassen … Die verarmten Massen können zu Hause nicht gefangen sein”, sagte Bolsonaro. „Ich weiß… das Leben ist unbezahlbar. Aber die Wirtschaft und die Arbeitsplätze müssen wieder normal werden. “

Lula, der in einem armen ländlichen Gebiet geboren wurde und internationale Anerkennung für seinen Kampf gegen den Hunger erlangte, verspottete die Idee, Bolsonaro als Verteidiger der Armen zu betrachten.

“Bolsonaro interessiert sich nur für sich selbst, seine Kinder, einige konservative Generäle und seine paramilitärischen Freunde”, sagte er und bezog sich auf langjährige Vorwürfe über die Beziehung zwischen der Familie des Präsidenten und der Miliz von Rio de Janeiro.

„Er spricht nicht mit der Gesellschaft. Bolsonaro hat keine Ohren zum Zuhören. Er hat nur einen Mund, um Unsinn zu reden. “

Selbst als er feststellte, dass Amtsenthebung eine Option ist, räumte der frühere Präsident ein, dass dies heute im Kongress nicht unterstützt wird, da seine linke Nachfolgerin Dilma Rousseff 2016 gestürzt wurde.

Er sagte, dass viele rechte Politiker es für das Beste halten, Bolsonaro seine Chancen auf eine Wiederwahl im Jahr 2022 durch seine eigene Inkompetenz weiter sabotieren zu lassen – bevor sie einen anderen rechten Präsidenten wählen.

Lula, der nach seiner Verhaftung wegen fragwürdiger Korruptionsvorwürfe von den Wahlen 2018 ausgeschlossen wurde, signalisierte, dass er in diesem Streit nicht der Kandidat der Linken sein würde.

“Ich habe meine politischen Rechte verloren, deshalb spreche ich nicht über mich”, sagte er. Lula wurde im November 2019 nach 580 Tagen Haft nach einem Zugeständnis des Obersten Gerichtshofs freigelassen.

„Aber ich sage Ihnen, Sie können sicher sein, dass die Linke 2022 wieder Brasilien regieren wird. Wir müssen nicht darüber diskutieren, wer zu diesem Zeitpunkt der Kandidat sein wird. Aber wir werden für jemanden stimmen, der sich für Menschenrechte einsetzt und sie respektiert, der den Schutz der Umwelt respektiert, der den Amazonas respektiert … der Schwarze und Indigene respektiert. Wir werden jemanden wählen, der sich für die Armen dieses Landes einsetzt. “

Beobachter der brasilianischen Politik sind sich weniger sicher, dass Bolsonaro vollständig fertig ist – oder dass die Linke gut positioniert ist, um ihn zu ersetzen.

Einige glauben, dass Bolsonaro – einer der wenigen vier Führer, die das Coronavirus immer noch herunterspielen – die autoritären Präsidenten von Nicaragua, Weißrussland und Turkmenistan – seine Chancen auf eine zweite Amtszeit mit dieser Reaktion auf die Krise zerstört hat.

Thomas Traumann, politischer Kommentator und ehemaliger Kommunikationsminister während der Rousseff-Regierung, sagt jedoch, dass diese Gewissheit voreilig ist: “Wir haben noch zwei Jahrhunderte bis 2022”.

Traumann sagte, es sei klar, dass Bolsonaro stark geschwächt sei – aber bisher scheinen rechte Politiker, wie die Gouverneure von Rio de Janeiro und São Paulo, diejenigen zu sein, die am meisten von Bolsonaros Fehlern profitieren.

Und in letzter Zeit durchläuft Brasilien Wochen, die so unvorhersehbar und turbulent sind, dass es unmöglich ist zu wissen, wie das politische Ergebnis aussehen wird.

„Wir alle wissen, dass Bolsonaro schwächer aus der Krise herauskommen wird. Wir wissen, dass seine Fehler nicht vergeben werden “, sagte Traumann.

Wie die politischen Teile danach zusammenpassen, versuchen alle zu verstehen, fügte Traumann hinzu und verglich die brasilianische Krise mit dem Beginn einer Achterbahnfahrt.

“Wir alle wissen, dass viele Wendungen kommen … Wir bewegen uns in Richtung einer unbekannten Welt … Wir segeln in der Dunkelheit.”

Lula ist sich einer Sache sicher: In einem Moment der nationalen Krise braucht Brasilien einen Führer, der seine 211 Millionen Bürger vereinen kann.

“Ein Präsident sollte wie ein Dirigent sein”, sagte er. „Das Problem ist, dass unser Dirigent nichts über Musik weiß, keine Partitur lesen kann und nicht einmal weiß, wie die Tacktstöcke funktionieren.

„Er versucht, klassische Musik mit Instrumenten für Samba zu spielen. Er hat das Orchester verrückt gemacht – einen Turm zu Babel “, sagte er. Er weiß nicht, was er im Präsidentenpalast tut … Nicht einmal Trump nimmt ihn ernst.

The Guardian | Übersetzt von Martin Westendorf.