16. März 2019

Meine Freunde und Freundinnen,

Zu allererst möchte ich Euch für Eure Solidarität und die Liebe danken, die ich vom brasilianischen Volk und von führenden Menschen anderer Länder in diesem Jahr, in dem ich ungerecht gefangen gehalten werde, erhalten habe. Ganz besonderer Dank gilt den Genossen der Mahnwache in Curitiba, die mich jeden Tag unterstützen, den Genossen die die Komitees «Freiheit für Lula» in- und ausserhalb Brasiliens organisieren, den Anwälten, Juristen, Intellektuellen und demokratischen Bürgern die für meine Freiheit kämpfen.

Von Euch kommt die Kraft, mit der ich diesem Leid widerstehen kann, von Euch und von der Gewissheit, dass ich unschuldig bin. Aber ich halte vor Allem deswegen durch, weil ich weiss, dass ich noch eine grosse Aufgabe zu erfüllen habe, gerade in diesem Moment, in dem die Demokratie, die nationale Unabhängigkeit und die Rechte des brasilianischen Volks von mächtigen wirtschaftlichen und politischen Interessen bedroht werden, auch von fremden Mächten.

So wie ich es in meinem ganzen Leben gehalten habe, und ich spreche hier von mehr als 45 Jahren Aktivität in der Gewerkschaft und in der Politik, sehe ich diese Aufgaben als eine Kollektive Herausforderung an. Der Kampf, den ich für ein gerechtes Urteil führe, in dem meine Unschuld im Angesicht der unbestreitbaren Beweise der Verteidigung anerkannt wird, hat nur einen Sinn, wenn er als Teil der Verteidigung der Demokratie verstanden wird, als ein Weg zurück zum Rechtsstaat und zum Projekt einer Entwicklung mit sozialer Inklusion, welches unser Land wieder aufbauen möchte.

Es wir mit jedem Tag klarer für das Volk und für die internationale öffentliche Meinung, dass ich nur aus einem Grund gefangengenommen wurde, nämlich dass, wenn ich am Wahlkampf hätte teilnehmen können, ich von einer grossen Mehrheit zum Präsidenten gewählt worden wäre. Meine Kandidatur war die Antwort auf die Auslieferung unseres Landes an ausländischen Interessen, die Demontage der sozialen Programme, die Arbeitslosigkeit, die Rückkehr des Hungers und all das Schreckliche, das durch den Staatsstreich der Amtsenthebung entstand. Diesen Kampf müssen wir gemeinsam und im Namen Aller führen.

Um mich von den Wahlen fernzuhalten, wurde eine juristische Farce aufgezogen und von den grossen Medien, allen voran dem Fernsehsender Globo, unterstützt. Durch stundenlange lügnerische Sendungen wurde das Volk mit falschen Informationen hinters Licht geführt, indem die «Autowaschoperation» mich anklagte und meine Verteidigung missachtet oder gar ganz zensiert wurde. Verfassung und Gesetze wurden nicht respektiert, so als gäbe es, allein für Lula, ein eigenes Strafgesetz, in dem meine Rechte systematisch negiert wurden.

Als ob es nicht genug wäre, mich für Verbrechen, die ich nicht begangen habe, einzusperren, verboten sie auch, dass ich an Debatten im Wahlprozess teilnehme, verboten meine Kandidatur, was gegen das Gesetz und das Recht der Vereinten Nationen ist, verboten, dass ich Interviews geben durfte, und hinderten mich sogar daran, zur Beerdigung meines älteren Bruders zu gehen. Sie wollen, dass ich verschwinde, aber nicht vor mir haben sie Angst, sondern vor dem Volk, dass sich mit unserem Projekt identifiziert und in meiner Kandidatur die Hoffnung sah, zu einem besseren Lebensstandard zurückzukehren.

Vor einigen Tagen, als ich mich von meinem lieben Enkelsohn Arthur verabschieden musste (der Enkel Lulas starb am 1. März an Hirnhautentzündung, A. d. Ü.), fühlte ich, wie schwer das Unrecht auf meiner Familie lastet. Der kleine Arthur wurde in der Schule diskriminiert weil er mein Enkel war und litt sehr darunter. Darum versprach ich an seinem Grab, dass ich nicht ruhen werde bis meine Unschuld in einem gerechten Prozess anerkannt wird.

Ich erinnere mich, in diesem gefühlvollen Moment gesagt zu haben : «Ich werde Dir zeigen, dass die wirklichen Verbrecher diejenigen sind, die mich verurteilt haben». Kurze Zeit später veröffentlichte der Journalist Luis Nassif, die illegale und geheime Abmachung zwischen den Staatsanwälten der «Autowaschoperation», dem Gerichtshof von Curitiba, der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Firma Petrobras, in dem es um 2.5 Milliarden Real (600 Millionen Euro, a. d. Ü.) geht.

Diese Summe wurde der grössten Volksunternehmen Brasiliens von einem nordamerikanischen Gericht entzogen, auf der Grundlagen von Denunzierungen, die dieses Gericht von den brasilianischen Staatsanwälten erhalten hatte. Vom brasilianischen Generalstaatsanwalt gedeckt, waren sie dort in den Vereinigten Staaten, um eine Firma zu schwächen, die internationale Gier erweckt hat.

Im Tausch gegen dieses Vermögen hat sich die «Autowaschoperation» bereit erklärt, dem fremden Land Geheimnisse und strategische Informationen unserer Petrobras zu verraten.

Hier handelt es sich nicht um Überzeugungen, sondern um konkrete Beweise : es gibt unterzeichnete Dokumente, Schreiben von öffentlichen Stellen. Diese Moralisten ohne Moral besetzen heute hohe Posten in einer Regierung, die nur an die Macht kam weil sie meine Kandidatur verhindert haben. Aber im Gefängnis sitzt Lula, der nie diese Wohnung (wegen der er verurteilt wurde, A. d. Ü.) besessen hat, und auch nicht das Landhaus, der nie Verträge der Petrobras unterzeichnet hat, der nie geheime Konten hatte wie diese Stiftung, die jetzt entdeckt wurde.

Mehr noch, als meine Entrüstung über diesen Tatsachen darzulegen, möchte ich Euch sagen, dass mit der Zeit die Wahrheit an den Tag kommt. Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren, dass die Wahrheit siegen wird und sie ist auf unserer Seite. Deswegen bitte ich jeden Einzelnen von Euch, den Kampf für Demokratie und Gerechtigkeit immer stärker weiterzuführen. Dafür müssen wir weiterhin die Rechte des Volkes und die nationale Souveränität verteidigen, denn eben gegen diese Werte wurde der Staatsstreich geführt und meine Wahl verhindert. Um unsere nationalen Reichtümer abzutreten und die sozialen Errungenschaften zu vernichten. Die Komitees Freiheit für Lula müssen sich das klar machen und mehr und mehr in der Gesellschaft, den Medien, den Schulen und auf der Strasse agieren.

Im Glauben an Gott und im Vertrauen zu unserer Organisation, sage ich mit Gewissheit : der Tag wird kommen, an dem wir uns wiedersehen. Und dann kann Brasilien aufs Neue von einer besseren Zukunft für Alle träumen.

Vielen Dank, der Kampf geht weiter, Genossen und Genossinnen!

Ich umarme Euch

Luiz Inácio Lula da Silva
Curitiba 16. März 2019

Partido dos Trabalhadores | Foto: Ricardo Stuckert |  Übersetzt von  Komitee Freiheit für Lula Berlin.